2022 Stillstand und Wandel

   

STILLSTAND UND WANDEL

24.4.-22.5. 2022
Landarbeiterhaus Kleinmachnow
Ute Wennrich - Installation und Objekt
mit Ralf Klingelhöfer - Fotografie

... Beklemmend stille Stadtbilder und sensible, stille Interventionen in die Natur- und Stadtwirklichkeit, die sogar auch auf unseren verwunschenen Ort zugreifen. Ute Wennrich stammt aus Augsburg, studierte in Berlin und führt nach einem ersten Architektenleben seit 1989 ein zweites als bildende Künstlerin. Im Mittelpunkt ihrer Präsentation hier stehen Natur und deren örtlichen Bezüge. Mit den verwendeten Materialen der Objekte nimmt sie Bezug auf den Lebenszyklus des Baumes als wichtigen Bestandteil der Ökologie für uns Menschen. Sie ist den stillen Pfad zu den beiden Rieseneichen hier hinterm Landarbeiterhaus in den Wald gegangen (Auch Sie sollten das immer wieder tun) und hat diesen beiden narbigen massiven Riesen aus hartem Holz eine wunderbar leichte künstlerische Hommage gewidmet: Nach Aeolos, dem Gott der Winde benannt, der durch das in jedem Frühjahr - auch in diesem!  noch immer sprießende Geäst streicht, das frische Laub begrüßt und es im späten Herbst verabschiedet, wenn es stirbt. Der mächtige halbjahrtausendschwere Stammumfang ist angedeutet und verspielt aufgehoben in einem Reigen federleichter Papierbällchen, die sich im Sonnenlicht in ihren Schatten noch einmal verdoppeln und im leisen Luftzug zu tanzen beginnen, wenn Aeolos einen Hauch durch die offene Türe schickt.
Stillstand und Wandel: Der rissige Asphalt vor der Steglitzer Haustüre, von gleichgültigen Maschinen hin gewalzt und von eiligen Zeitgenossen achtlos abgetreten: Ute Wennrich erhebt diese schartige Struktur aus der Anonymität der Großstadt und macht sie auf originelle Weise kostbar und besonders: Aus den Rissen sprießen goldglänzende Perlengewächse, die Illusion technoider Machbarkeit, die graue Ödnis, die buchstäbliche Plattheit  überwindend und gleichzeitig auf eine große, gern vergessene Wahrheit anspielend. Das Harte unterliegt am Ende dem Weichen, Lebendigen, Fließenden. Es ist eine stille und dennoch provokante Selbstbehauptung von Individualität: Menschlicher im Allgemeinen und Künstlerischer im Besonderen, ein Schulterschluss mit der stillen Selbstbehauptung auch der Natur, die von einer arroganten Zivilis der technischen Machbarkeit und von Kapital akkumulierender Ausbeutung mit Füßen getreten wird - allzu leicht vergessend, dass wir doch aus ihr stammen und ihr Teil sind.
Ute Wennrich zitiert in ihrem Statement einen Satz Antonio Tàpies, den ich gern abermals, und für beide Aussteller geltend, zitieren möchte: „Ich kann mir keinen Künstler vorstellen, der nicht vollständig im Abenteuer und im dauernden Übergang lebt, immer bereit zum Sprung ins Leere. In einer Epoche, in der Interventionen aller Art zur Tagesordnung gehören, erweist es sich, dass sich für die Kunst das authentische Leben nur außerhalb der Welt der Funktionäre abspielt“.

Rainer Ehrt, aus der Eröffnungsrede